Architektenrecht: Unvollständig informierter Architekt haftet nicht

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Für den Architekten ist von zentraler Bedeutung, wann Beratungsbedarf besteht und insbesondere wann ein Beratungsverschulden vorliegt. Mit dieser Haftungsfrage beschäftigte sich das OLG Celle. Hintergrund der Streitigkeit war ein durch den Architekten zu erstellendes Sanierungskonzept von Balkonen einer WEG. Die WEG und hiesige Klägerin erwirkte beim Bauamt eine Baugenehmigung für das Abreißen und Ersetzen von maroden Balkonen durch aufgeständerte Balkone. Dies wurde jedoch nur unter der Auflage genehmigt, dass ein weiterer Fluchtweg geschaffen wird. Um dies zu vermeiden, beauftragte die WEG einen Architekten mit der Prüfung, ob eine Sanierung ohne Baugenehmigung möglich ist ohne jedoch über die bestehende Baugenehmigung zu informieren. Der Architekt hielt eine Baugenehmigung für nicht erforderlich, sofern die Konstruktion der Balkone nicht verändert wird. Die WEG hingegen erhielt vom Bauamt die Information, dass bereits eine Baugenehmigung erforderlich sei, wenn tragende Teile erneuert werden. Auch dies teilte die WEG dem Architekten nicht mit. Als im Rahmen der Instandsetzung weitere gravierende Mängel an den Balkonen einen vollständigen Abriss erforderlich machten, forderte das Bauamt hierfür eine Baugenehmigung, welche lediglich unter der Bedingung eines weiteren Fluchtwegs erteilt wurde. Die hierdurch entstandenen Mehrkosten verlangt die WEG vom Architekten mit der Begründung, dieser hätte sie bei Feststellen der weiteren Mängel darauf aufmerksam machen müssen, dass nunmehr eine Baugenehmigung erforderlich sei. Das OLG Celle wies die Klage ab. Der WEG war nachweislich bewusst, dass die erforderlichen Bauarbeiten genehmigungspflichtig sind. Insofern bestand kein Beratungsbedarf durch den Architekten und folglich kein Beratungsverschulden. Die WEG durfte nicht auf seine Angaben vertrauen, weil ihr bereits die gegenteilige Auffassung vom Bauamt bekannt war. Der WEG war bekannt, dass der Architekt von falschen Tatsachen ausging und verhielt sich treuwidrig, indem sie ihn nicht über die Rechtsauffassung des Bauamts informierte. Auch die Vermutung beratungskonformen Verhaltens greift hier nicht, weil die Höhe der zu erwartenden Baukosten und die daraus resultierende Entscheidung stark von den Wünschen der Wohnungseigentümer und insbesondere von den finanziellen Mitteln abhängen. Als Bauherr empfiehlt es sich also, stets Rücksprache mit dem Architekten zu halten und ihn insbesondere vollumfänglich über Gespräche oder gar erteilte Genehmigungen des Bauamts zu informieren. Andernfalls ist ggf. der Schadensersatzanspruch wegen Beratungsfehlern in diesem Zusammenhang abgeschnitten.

OLG Celle, Urteil vom 20. Juli 2017, Az.: 16 U 124/16

Rechtsanwalt und Notar Michael Ch. Bschorr

Wollmann & Partner Rechtsanwälte mbB, Berlin

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