Privates Baurecht: Was muss das Gericht tun, um einen geeigneten Sachverständigen zu finden?

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Vor allem bei komplexen baurechtlichen Angelegenheiten kommt dem Gutachter im Prozess eine besondere Bedeutung zu. Sofern sich über umfassende Tatsachen gestritten wird, entscheidet in der Beweiserhebung zumeist ein Gutachten über den Verfahrensausgang. Der BGH hat sich nunmehr damit auseinandergesetzt, welche Bemühungen ein Gericht anstellen muss, um einen geeigneten Sachverständigen ausfindig zu machen. Folgender, verkürzt wiedergegebener, Sachverhalt liegt der Entscheidung zugrunde: Die Parteien hatten einen pauschalen Werklohn auf Grundlage eines nach Einheitspreisen erstellten Angebots vereinbart. Nach verschiedenen Umbauten rechnete die Klägerin Nachträge in Höhe von 161.162,66 € netto ab, worauf die Beklagte lediglich eine Teilzahlung leistete. Die Klägerin begehrt nunmehr den weiteren Werklohn aus den Nachträgen. Das Landgericht wies die Klage ab mit der Begründung, dass die Klägerin nicht nachweisen konnte, dass es sich bei den aufgeführten Einheitspreisen um marktübliche Preise handelte. Das Berufungsgericht zog vier Sachverständige heran, deren Gutachten entweder nicht abschließend waren, außerhalb der Kompetenz des Gutachters lagen, aus persönlichen Gründen abgebrochen wurden oder nicht nachvollziehbar waren. Ein weiterer durch die Beklagte vorgeschlagener Gutachter wurde vom Landgericht mit dem Hinweis abgelehnt, dass der erste Gutachter bereits ausgeführt hatte, dass die beabsichtige Ermittlungsmethode keinen Erfolg versprechen würde. Die Revision wurde nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit einer Nichtzulassungsbeschwerde an den BGH. Der BGH ließ die Revision zu, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache wieder an das Berufungsgericht. Das angefochtene Urteil verletzt die Klägerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 GG. Das Prozessgericht hat die Auswahl des beizuziehenden Sachverständigen gem. § 404 Abs. 1 S. 1 ZPO selbst vorzunehmen. Es ist also Sache des Gerichts, sich vollumfänglich kundig zu machen, beispielsweise durch Kontaktaufnahme mit Kammern, Berufsverbänden, Instituten oder anderen Sachverständigen. Erst wenn alle Quellen ausgeschöpft wurden, kann das Prozessgericht nach § 356 ZPO von einer Beweiserhebung unter Offenlegung der maßgeblichen Erwägungen bzw. angestellten Bemühungen absehen, einen geeigneten Sachverständigen zu finden. Diese Anforderungen wurden vorliegend nicht erfüllt. Das Berufungsgericht hat nicht offengelegt, dass es mit Kammern, Verbänden oder Instituten Kontakt aufgenommen hast. Zudem wird der vorgeschlagene Sachverständige bereits unter Bezugnahme der Ausführungen eines anderen Sachverständigen abgewiesen, ohne Gelegenheit zur Stellungnahme oder dem Vorschlag eines anderen geeigneteren Kollegen zu gewähren. Schließlich führt der BGH aus, dass die Klägerin ihrerseits keinen Vorschlag machen muss, um ein Verfahrensgrundrecht geltend zu machen.

BGH, Beschluss vom 29. März 2017, Az.: VII ZR 149/15

Rechtsanwalt und Notar Martin Sukowski
Wollmann & Partner Rechtsanwälte mbB, Berlin
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