Was passiert nach der neuen HOAI, wenn eine Honorarvereinbarung fehlt?

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Mit der seit dem 01.01.2021 geltenden Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (kurz: HOAI 2021) verschwindet das bisher geltende zwingende Preisrecht. Zwingend einzuhaltende Honorarmindest- bzw. Höchstsätze gibt es in der neuen Honorarordnung nun nicht mehr. Hintergrund dieser Änderungen war das Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 04.07.2019. Das zwingende Preisrecht der HOAI 2009/2013 hat danach gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie verstoßen. Die Bundesrepublik musste daher die HOAI nachbessern und tat dies, indem das zwingende Preisrecht nahezu ersatzlos gestrichen wurde. Alles andere blieb im Wesentlichen unverändert.

Wurde nach der vorher geltenden HOAI zwischen den Vertragsparteien eine Honorarvereinbarung geschlossen, die die zwingenden Mindestsätze unterschritt, so wurde diese Honorarvereinbarung wegen Verstoß gegen das Mindestsatzgebot unwirksam. ArchitektInnen und IngenieurInnen konnten dann nach den Mindestsätzen abrechnen. Dies führte zu einer Vielzahl an Honoraraufstockungsklagen. Wie ist die Situation für Verträge ab dem 01.01.2021, in denen es dieses zwingende Preisrecht in der neuen Honorarordnung nicht mehr gibt? Sind ArchitektInnen/IngenieurInnen nun schutzlos?

Nicht ganz!

§ 7 Abs. 1 Satz 1 HOAI 2021 bestimmt, dass sich das Honorar von ArchitektInnen/IngenieurInnen nach der zwischen den Parteien in Textform (z.B. E-Mail, WhatsApp, Fax) geschlossenen Honorarvereinbarung richtet. Voraussetzung für eine wirksame Honorar-vereinbarung ist damit nicht mehr die Schriftform (Originalvertragsurkunde mit den Unterschriften der Vertragsparteien), sondern die Textform. § 7 Abs. 1 Satz 2 HOAI 2021 bestimmt für den Fall, dass eine Honorarvereinbarung nicht in Textform vorliegt, dass für die Grundleistungen die Honorarbasissätze nach Anwendung des § 6 HOAI 2021 als vereinbart gelten.

Die Honorarbasissätze entsprechen den altbekannten Mindestsätzen. Fehlt nun eine Honorarvereinbarung oder wurde diese nicht (wenigstens) in Textform abgeschlossen, können sich ArchitektInnen/IngenieurInnen in ihrer Honorarberechnung auf diese Honorarbasissätze berufen. Dies gilt allerdings nicht für die besonderen Leistungen. Fehlt hier eine Honorarvereinbarung, gelten nicht die Basishonorarsätze als vereinbart. Hier kann nur auf die für diese Leistungen ortsübliche Vergütung zurückgegriffen werden. Dies werden aber in der Regel die HOAI-Sätze sein. Rechtsstreitigkeiten sind aber vorprogrammiert.
Kritisch wird es auch, wenn die Parteien zwar eine Honorarvereinbarung in Textform geschlossen haben, das Honorar aber die Basissätze der Honorarordnung unterschreitet. Dadurch, dass es kein zwingendes Preisrecht mehr gibt und nach dem EuGH auch nicht geben darf, stellt die Unterschreitung der Honorarbasissätze keinen Unwirksamkeitsgrund für die Honorarvereinbarung mehr dar. D.h. ArchitektInnen/IngenieurInnen können sich bei einer mit dem Auftraggeber wirksam getroffenen Honorarvereinbarung nicht mehr auf die Unterschreitung der Basissätze berufen, sondern müssen sich an dem unter Umständen niedrigeren – in der Honorarvereinbarung vereinbarten – Honorar festhalten lassen.

Aufgrund dieser Neuerungen ist besondere Vorsicht bei der Vertragsanbahnung an den Tag zu legen. ArchitektInnen/IngenieurInnen können sich nun nicht mehr darauf verlassen, dass eine nicht auskömmliche Honorarvereinbarung später noch durch die Berufung auf die Honorarbasissätze korrigiert werden kann. Sie müssen vielmehr möglichst von Anfang an eine ausgewogene Honorarvereinbarung mit dem Auftraggeber treffen, die ein faires Änderungsmanagement beinhaltet. Zwar kann – auch das ist neu – die Honorarvereinbarung jederzeit nach Vertragsschluss geändert werden. Dies wird sich aber regelmäßig als schwierig heraus-stellen, da es nur mit dem Einverständnis mit dem Auftraggeber geht.
Im Ergebnis ist also festzustellen, dass auf ArchitektInnen/IngenieurInnen eine deutlich höhere Verantwortung lastet, als dies bisher der Fall war und diese auch gewohnt waren. Einen „Rundum-Schutz“ vor „Billig-Konkurrenz“ gibt es nicht mehr. Dieser Umstand sollte aber auch als Chance für den Berufsstand gewertet werden: Waren bisher seriöse ArchitektInnen und IngenieurInnen kaum in der Lage, im Ergebnis von der HOAI abzuweichen, kann eine besonders gute Leistung jetzt legal auch oberhalb der HOAI-Sätze entlohnt werden.

Gerade die derzeitige Lage „am Bau“ sollte als Chance begriffen werden, diesen Übergang reibungslos zu gestalten.