Architektenrecht: Architekt muss über DIN-Abweichung aufklären

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Der Architekt wurde vom Bauherrn mit der Planung für den Umbau eines Eissportstadions beauftragt. Die Stufenhöhe im Stadion war ursprünglich nach den Vorgaben der DIN EN 13200-1 geplant, welche Sichtlinien von 90mm fordert. Daher betrug die geplante Stufenhöhe 22 cm. Die zuständige Behörde forderte eine Stufenhöhe von 20 cm, also eine Verringerung um 2 cm. Dies führt zu schlechteren Sichtverhältnissen der Zuschauer. Der Architekt hat sich den Vorgaben der Behörde gebeugt und in seiner Planung die Stufenhöhe auf 20 cm verringert. Diese Planung genügte nicht mehr den Vorgaben der DIN EN 13200-1. Die Verkleinerung der Stufenhöhe hat der Architekt mit dem Bauherrn besprochen, er hat aber nicht deutlich auf die Folgen und die DIN-Vorgaben hingewiesen. Der Bauherr verlangt wegen der Planungsmängel Schadensersatz vom Architekten.

Das OLG München bestätigt den Schadensersatzanspruch. Der Auftraggeber kann erwarten, dass das Werk im Zeitpunkt der Fertigstellung die anerkannten Regeln der Technik erfüllt. Hierzu gehören u. a. die „DIN-Normen“, die die allgemeinen Regeln der Technik wiedergeben. Der Auftragnehmer sichert die Einhaltung dieser Normen in der Regel stillschweigend bei Vertragsschluss zu.

Dass aufgrund einer Vorgabe der Behörde die Stufenhöhen der Tribünen von 22 cm auf 20 cm zu verringern waren und dies auch zu schlechteren Sichtverhältnisse führen wird, wurde mit dem Auftraggeber zwar besprochen, ihm jedoch nicht mit der nötigen Deutlichkeit vermittelt, dass nicht mehr DIN-gerecht unter Einhaltung der 90 mm Sichtlinie geplant und gebaut werden konnte.

Das genaue Ausmaß der Verschlechterung der Sichtverhältnisse zu erkennen, setzt architektonisches Fachwissen voraus, über das der Architekt, nicht aber die Bauherrschaft verfügt. Die Mitteilung dieses überlegenen Wissens gehört zu den wesentlichen Aufgaben des Architekten, nämlich den Auftraggeber über die regelgetreue Machbarkeit der Planung aufzuklären. Ohne die gebotene Aufklärung lässt auch die Unterschrift des Bauherrn unter den Bauantrag kein Einverständnis mit einer DIN-widrigen Planung/Ausführung erkennen.

Wäre der Bauherr ordnungsgemäß über die konkreten Folgen der Verringerung der Stufenhöhe informiert worden, hätte er selbst eine Ausnahmegenehmigung erwirken können. Dies ist in dem Bauvorhaben für eine andere Stufenhöhe erfolgt.

Die DIN-Normen 18036 und 13200-1 müssen nach Ansicht des Gerichts erfüllt werden, um ein ordnungsgemäßes Werk herzustellen. Sollte die beabsichtigte Planung diese Regelvorgaben nicht erfüllen, so trifft den Planer eine entsprechende Bedenken-/Hinweispflicht.

Der Planer muss in besonderem Maße Hinweise erteilen und über Folgen der Planung aufklären. Er muss in jedem Fall den Bauherrn sobald wie möglich schriftlich informieren, wenn seine Planung aufgrund behördlicher Vorgaben oder aus anderen Gründen nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Gleichzeit muss er dem Bauherrn die sich daraus ergebenden Konsequenzen aufzeigen.

OLG München, Beschluss vom 18. September 2015, Az.: 27 U 4611/14;

BGH, Beschluss vom 10. Januar 2018, Az.: VII ZR 238/15

(Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

Rechtsanwalt Daniel Mooser

Wollmann & Partner Rechtsanwälte mbB, München

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