Architektenrecht: Bitumendickbeschichtung – Besondere Überwachungspflicht des Architekten?

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Das OLG Brandenburg hat sich in einem Berufungsverfahren mit der Frage zu befassen, ob ein nicht mit der Vollarchitektur beauftragter, sondern nur punktuell mit der Planungsaufgabe befasste Architekt eines Einfamilienhauses für Schäden haftet, die durch eine nicht geeignete Bitumendickbeschichtung bei aufstauendem Sickerwasser entstanden sind. Die Klägerin beauftragte den Beklagten mit der Erbringung von Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 4 und 6. Darüber hinaus vereinbarten die Vertragsparteien eine „Objektüberwachung (Baubegleitung) bei Bedarf pro Stunde 48,00 €“. Dem beklagten Architekten war bekannt, dass vor Ort mit Stau und Schichtenwasser zu rechnen sein wird und erstellte daraufhin ein Leistungsverzeichnis, das eine hier wegen der Bodenverhältnisse ungeeignete bituminöse Dickbeschichtung vorsah. Dem Architekten wird in Bezug auf das vorgesehene Dichtungssystem für die vertikale Kelleraußenwandabdichtung ein Planungsfehler zur Last gelegt, der darin besteht, dass er in dem von ihm erstellten Leistungsverzeichnis den Lastfall „aufstauendes Sickerwasser“ nicht hinreichend berücksichtigt und eine den Anforderungen der DIN 18195 – Teil 6 entsprechende Abdichtung nicht explizit gefordert hat. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kommt es auf die Tatsache, dass auch für den Lastfall „aufstauendes Sickerwasser“ ungeeignete Styropordämmplatten zum Einsatz kamen, letztlich nicht mehr an. Auch die Tatsache, dass der beklagte Architekt in dem Leistungsverzeichnis an weiteren Stellen ausdrücklich – fehlerhaft – eine Abdichtung gegen „nicht drückendes Wasser“ verlangte und damit den Eindruck erweckte eine solche sei ausreichend, war für die Annahme der Haftung des Architekten für die eingetretenen Schäden nicht mehr ausschlaggebend. Das Berufungsgericht nahm schließlich aber auch einen Bauüberwachungsfehler an; das Argument des Architekten, er sei mit Leistungen der Leistungsphase 8 der Objektplanung nur auf Abruf bzw. punktuell und zu einem geringen Honorarvolumen beauftragt worden, ließ das Gericht nicht gelten. Der Haftungsumfang bestimme sich nämlich grundsätzlich nicht nach der Höhe der vereinbarten Vergütung, sondern nach dem vertraglichen Leistungssoll, hier also danach, ob und mit welcher Intensität der Beklagte die Arbeiten hat überprüfen müssen, die sich später als mangelbehaftet herausgestellt haben. Hierzu stellte sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung heraus, dass zwischen Auftraggeber und dem Architekten mündlich vereinbart wurde, der Architekt habe es übernommen, bei „wichtigen Arbeiten“ nachzuschauen, bei „Schwerpunktarbeiten auf der Baustelle“ nachzugucken oder – mit den Worten der Klägerin – „Knackpunkte der Bauausführung“ zu überwachen, mithin diejenigen Bauvorgänge, die für die Erreichung der Bauaufgabe von wesentlicher Bedeutung sind und die kritischen Baumaßnahmen die erfahrungsgemäß ein höheres Mängelrisiko aufweisen. Nach Auffassung des Berufungsgerichts gehören die Arbeiten der Abdichtungsarbeiten insbesondere dann zu solchen besonders überwachungsbedürftigen Arbeiten, wenn, wie es hier wegen des vorliegenden Lastfalls „aufstauendes Sickerwasser“ der Fall war, erhöhte Anforderungen an Materialauswahl und Verarbeitung des Abdichtungsmaterials bestanden. Der beklagte Architekt war deshalb nach Auffassung des Berufungsgerichts verpflichtet, auch im Rahmen dieser hier nur auf Abruf und punktuell erfolgten Beauftragung der Bauüberwachung, die Ausführung der Abdichtungsbeschichtung zu überprüfen und zwar dahingehend, ob das von dem ausführenden Unternehmen vorgesehene Material auch geeignet war. Der Architekt hätte dies ohne Weiteres erledigen können, in dem er von dem ausführenden Unternehmen oder direkt von dem Hersteller des Materials das technische Merkblatt anforderte, aus dem er ohne Weiteres hätte entnehmen können, dass die gewählte Art der Beschichtung der vertikalen Kelleraußenwände für den Lastfall „drückendes Wasser“ und „aufstauendes Sickerwasser“ nicht geeignet und damit nicht zugelassen war.

Im Ergebnis hat das Berufungsgericht deshalb eine Haftung des beklagten Architekten nach §§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB angenommen.

OLG Brandenburg, Urteil vom 22.12.2015, Az.: 4 U 26/12

RA und Notar Michael Ch. Bschorr
Wollmann & Partner Rechtsanwälte, Berlin
bschorr@wollmann.de