Baurecht: Urteil des KG Berlin zur Berechnung von Mehrkostenansprüchen nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B

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In der Praxis stellt sich oft die Frage, wie Mehrkostenansprüche, die auf Grundlage des § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B bestehen, zu berechnen sind. Diese Ansprüche besitzt der Unternehmer, wenn die VOB/B Vertragsgrundlage geworden ist und der Auftragnehmer Leistungsänderungen vornimmt, die Mehr- oder Minderkosten nach sich ziehen. Schwierigkeiten bereitet die Frage immer, wenn diese Leistungsänderungen keine konkrete Grundlage in der ursprünglichen Leistungsausführung finden und nunmehr die Kosten der geänderten Leistungsausführung zwischen den Parteien strittig sind, beziehungsweise eine Fortschreibung von Preisen zu einer Unterdeckung des Unternehmers führen würde.

Hierzu wurden vom Kammergericht in dem Urteil vom 10.Juli 2018 folgende Leitsätze herausgearbeitet:

  • 1. Grundlage des Mehrvergütungsanspruchs aus § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B sind die tatsächlichen Mehrkosten, die dem Unternehmer aufgrund der Leistungsänderung entstehen.
  • 2. Die Preiskalkulation des Unternehmers ist nur ein Hilfsmittel bei der Ermittlung dieser Kostendifferenz. Im Streitfall kommt es nicht auf die Kosten an, die der Unternehmer in seiner Kalkulation angesetzt hat, sondern auf diejenigen, die ihm bei Erfüllung des nicht geänderten Vertrags tatsächlich entstanden wären.
  • 3. Soweit der Unternehmer die Werkleistung durch einen Nachunternehmer erbringen lässt, liegen seine Mehrkosten in der Mehrvergütung, die er aufgrund der Leistungsänderung an diesen entrichten muss, solange die Mehrvergütung marktgerecht ist.
  • 4. Übersteigt die einem Bauunternehmer zugesagte Vergütung die Kosten, die ihm durch die Vertragserfüllung tatsächlich entstehen, sodass er einen Zuschlag zur Deckung seiner allgemeinen Geschäftskosten und seines Gewinns erwirtschaftet, ist bei Ermittlung des Mehrvergütungsanspruchs nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B der entsprechende Zuschlagsfaktor auch auf die änderungsbedingten Mehrkosten anzuwenden („guter Preis bleibt guter Preis“).
  • 5. Auch bei der Ermittlung dieses Zuschlagsfaktors kommt es im Streitfall nicht auf den vom Unternehmer kalkulierten Wert, sondern auf den Faktor an, der in Anbetracht der tatsächlichen Kosten des Bauvorhabens und der Vergütungshöhe zutreffend sind.

Wollmann & Partner kommentiert diese Entscheidung, weil die Frage, wie eine Mehrvergütung nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B nach dem Vorgaben des Urteils des KG Berlin vorgenommen wird, zu einer erheblichen Rechtssicherheit führen kann, wenn man den Vorgaben des Urteils bei der Berechnung Folge leistet. Die Berechnung der Mehrkosten erfolgt durch den Vergleich der Ursprungskosten (ohne Leistungsänderung) mit den neuen Kosten (mit Änderung).

Die Innovation der Entscheidung besteht darin, dass das Gericht dem Unternehmer bei einer Preisfortschreibung einer nicht auskömmlichen Vergütung einen Zuschlagsfaktor (Unterdeckungsfaktor) gewährt, um die Auskömmlichkeit sicherzustellen. Das begründet der Senat wie folgt: „Weil der Unternehmer gemäß § 1 Abs. 3 VOB/B verpflichtet ist, geänderte Leistungen auszuführen, die nicht beauftragt waren, müssen ihm insoweit zumindest die dadurch entstandenen Kosten als Mehrvergütung erstattet werden.“

Damit wird der Grundsatz der reinen Preisfortschreibung auch für die VOB/B durchbrochen. Die dadurch entstandenen abzurechnenden Kosten sind letztendlich die tatsächlichen Kosten. D.h. der Unternehmer kann, um die Deckung seiner Kosten herbeizuführen bei einer Abrechnung nach § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B seine tatsächlichen Kosten zuzüglich eines angemessenen Zuschlags zur Deckung seiner allgemeinen Geschäftskosten und seines Gewinns vornehmen.

Der Senat hat damit die Preisfortschreibung weitestgehend so ausgelegt, wie dies auch im § 650c Abs. 1 und 2 BGB für neue Bauverträge ab dem 01. Januar 2018 gilt. Die tatsächlichen Kosten, welche ein Unternehmer bei der Bauausführung hat, finden damit auch ihren Nachhall im Abrechnungssystem nach VOB/B.

Der Senat stellt aber auch klar, dass er davon ausgeht, dass die Parteien zumindest individualvertraglich vereinbaren können, dass die Mehrkosten des Auftragnehmers bei Leistungsänderungen allein anhand seiner Kalkulation zu bestimmen sind.

Für die Zukunft bedeutet dies, dass Auftragnehmer bei der Abrechnung der Mehrvergütung bei Leistungsänderungen bei Verträgen, in denen die VOB/B vereinbart wurde, auch ihre tatsächlichen Kosten berücksichtigen können und entsprechend eine auskömmliche Mehrvergütung erhalten. Dabei muss der Auftragnehmer die tatsächlich entstandenen Mehrkosten vortragen, die Kalkulation ist dann nicht mehr darzulegen.

KG, Urteil vom 10. Juli 2018, Az.: 21 U 30/17

Rechtsanwalt Rüdiger Schilke

Fachanwalt für Bau und Architektenrecht

Wollmann & Partner Rechtsanwälte mbB, München

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