Privates Baurecht: Diebstahlrisiko beim Bauvertrag hinsichtlich Baumaterialien

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Das Abhandenkommen von Baumaterialien auf Baustellen ist leider keine Seltenheit. Das Saarländische Oberlandesgericht Saarbrücken hat sich in seinem Urteil vom 03.12.2014 (1 U 49/14) mit der Risikoverteilung bei einem Diebstahl der Baumaterialien auseinandergesetzt.

In dem Urteil begehrte die Klägerin/Auftragnehmerin restliche Werklohnforderungen für die Herstellung eines Wohnhauses. Die Beklagten/Auftraggeber rechneten ihrerseits mit Aufwendungen für Baumaterialien auf. Die streitgegenständlichen Materialien wurden von der Auftragnehmerin in dem noch unbewohnten aber verschlossenen Haus der Auftraggeber gelagert. Dritte öffneten gewaltsam die Eingangstür zu dem Wohnhaus und entwendeten die Baumaterialien. Die Beklagten/Auftraggeber bestellten die Baumaterialien erneut und bezahlten diese.

Das Saarländische Oberlandesgericht ist der Ansicht, dass der Werklohnanspruch durch die Aufrechnung untergegangen sei. Das Gericht entschied, dass sich die Klägerin/Auftragnehmerin mit dem Werkvertrag zur vertragsgemäßen Herstellung des Hauses unter Lieferung und Einbau der dafür erforderlichen Materialien verpflichtet habe. Durch den Diebstahl der Baumaterialien sei die Klägerin nicht von ihrer Verpflichtung aus dem Werkvertrag frei geworden. Es entspreche der rechtlichen Risikoverteilung, dass bis zur Abnahme des erstellten Gewerkes grundsätzlich die Gefahr für dessen Beschädigung und Untergang der Werkunternehmer trägt. Diese Gefahr beziehe sich nicht nur auf den Zustand des Gewerkes, sondern auch auf die für die Herstellung erforderlichen Materialien, Werkzeuge, Maschinen und sonstige Hilfsmittel. Diese Wertung stimme zudem mit den tatsächlichen Gegebenheiten auf einer Baustelle überein. Denn letztlich habe der Werkunternehmer die Entscheidungsfreiheit, wie und in welchem Umfang er die zu verwendenden Materialien und Hilfsmittel vor dem Zugriff Dritter schützt. Es liege im organisatorischen Ermessen der Unternehmer, ob sie die benötigten Materialien und Hilfsmittel abendlich von der Baustelle abziehen oder aufgrund des damit verbundenen Aufwandes auf der Baustelle belassen.

An dieser Wertung ändert die Tatsache nichts, dass die Auftragnehmerin die Materialien im unbewohnten Haus der Auftraggeber lagerte. Es war die freie Entscheidung der Auftragnehmerin die Auftraggeber zu bitten, die Baumaterialien im Haus lagern zu können, obwohl ihr bekannt war, dass dieses Haus leer stand und damit nicht über besondere Sicherungsmaßnahmen verfügte. Dieses zur Verfügung stellen des Lagerungsortes führt nicht dazu, dass konkludent ein Verwahrungsvertrag geschlossen wurde. Die Beklagten wollten durch das Unterstellen nicht das damit verbundene Verlustrisiko übernehmen oder die Wertungen des Werkvertrages abändern. Durch die Einlagerung von Baumaterialien wird aus dem Werkvertrag auch kein Kaufvertrag über die Baumaterialien.

Die Entscheidung ist eine konsequente Weiterführung des allgemeinen Werkvertragsrisikos. Die Pflicht des Werkunternehmers, sein Werk vor Zugriffen Dritter zu schützen, besteht nicht nur bezüglich bereits hergestellter Teilabschnitte, sondern auch bezüglich der Materialien und Hilfsmitteln, die zur Herstellung des Werkes benötigt werden. Der Werkunternehmer wird erst dann von dieser Pflicht befreit, wenn das Gesamtwerk abgenommen wird. Wollmann & Partner empfiehlt Werkunternehmern, die Pflicht zur Sicherung der Baustelle vor Zugriffen Dritter auch aus diesem Grund nicht zu vernachlässigen.

Saarländisches Oberlandesgericht, Urteil vom 03.12.2014, Az.: 1 U 49/14

RAin Sarah Haj Kheder
Wollmann & Partner Rechtsanwälte, Berlin
HajKheder@wollmann.de