Privates Baurecht: Keine vorschnelle Annahme einer konkludenten Abnahme

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Bei Streitigkeiten um Abschlags- und Schlusszahlungen steht und fällt der Verfahrensausgang zumeist mit der Abnahme. Häufig ist nicht ganz klar, ob trotz Mängeln abgenommen wurde oder die Mängel derart gravierend sind, dass das Werk überhaupt nicht abnahmereif ist. In der Entscheidung vom 10.08.2017 beschäftigt sich das OLG Celle mit der Frage der Abnahmereife und ob der Besteller das Werk durch Inbetriebnahme abgenommen haben kann. Nach dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt schlossen die Parteien einen Werkvertrag über Rohbauarbeiten ab. Die Bestellerin und Beklagte lehnte die Abnahme aufgrund gravierender Mängel ab. Die Unternehmerin und Klägerin stellte nichtsdestotrotz eine Schlussrechnung und verlangte noch ausstehende 364.454,63 € der vereinbarten 743.673,46 €. Die Beklagte verweigerte die Zahlung, weswegen die Unternehmerin Klage auf Zahlung des Betrags nebst Zinsen erhebt. Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, das Werk sei weder abgenommen, noch abnahmereif. Hiergegen legte die Klägerin Berufung ein. Das Oberlandesgericht hielt die Berufung ebenfalls für unbegründet. Es führte in aller Deutlichkeit aus, dass in der Fortführung des Baus und der Inbetriebnahme des Objekts keine Abnahme gesehen werden kann. Die Beklagte hat im Abnahmeprotokoll angekreuzt und unterschrieben, dass die Abnahme „wegen fehlender Leistung bzw. gravierenden Mängeln abgelehnt“ wird. Das spätere Verhalten kann daher keine stillschweigende Billigung des Werks als im Wesentlichen vertragsgerecht sein, dieses Verhalten wäre ansonsten insofern widersprüchlich. Insbesondere darf die Frage nach der generellen Abnahmereife nicht vernachlässigt werden. Ohne Abnahmereife kann ein Werk – auch nicht konkludent durch Inbetriebnahme – abgenommen werden.

OLG Celle, Urteil vom 10. August 2017, Az.: 6 U 54/16

Rechtsanwalt Jochen Mittenzwey

Wollmann & Partner Rechtsanwälte mbB, Berlin

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