Architektenvertrag: Anspruch auf Einsicht in die Baukostenzusammenstellung des Bauherrn?

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Das OLG München hatte sich in einem Berufungsverfahren mit der Frage zu befassen, ob ein Architekt zur Erstellung seiner Honorarrechnung vom Bauherrn die Einsichtnahme in dessen Baukostenzusammenstellungen und die Aushändigung der Unterlagen für eine kurze Frist beanspruchen kann.

Die Klägerin war beauftragt mit den Leistungsphasen 1 – 8 des § 15 HOAI a.F.. Erhebliche Teile der Kostenermittlung schlossen die Vertragsparteien aus dem Leistungssoll der Klägerin aus. Der Klägerin fehlten die Kenntnisse, die zur Bemessung der anrechenbaren Kosten erforderlich waren. Sie hat zwar unstreitig die Rechnungen der Baufirmen geprüft, diese dann aber an die Beklagte weitergeleitet, ohne Kopien der Rechnungen für die eigene Dokumentation anzufertigen und Aufzeichnungen zu führen.

Erstinstanzlich hat das LG München I den Auskunftsanspruch der Klägerin abgewiesen. Das OLG München hat in seinem Urteil vom 07.08.2012 (Az. 9 U 2829/11 Bau, IBR 2013, 31) das erstinstanzliche Urteil teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin sämtliche Auskünfte zu erteilen, die erforderlich sind für die Ermittlung der anrechenbaren Kosten. Das OLG München hat der Klägerin in seiner Berufungsentscheidung einen vertraglichen Anspruch auf Auskunft über die anrechenbaren Kosten des streitgegenständlichen Bauvorhabens zugesprochen, weil sie auf diese Informationen zur Errechnung des ihr zustehenden Honorars angewiesen sei (BGHZ 127, 254, 261). Ein der Klägerin noch zustehender Honoraranspruch auf Grund einer geänderten Schlussrechnung könne nicht sicher ausgeschlossen werden. Das Informationsbedürfnis der Klägerin folge daraus, dass sie unstreitig zwar die Rechnungen der Baufirmen geprüft hat, diese dann aber an die Beklagte weiterleitete, ohne Kopien der Rechnungen für die eigene Dokumentation anzufertigen und Aufzeichnungen zu führen. Demzufolge fehlten der Klägerin die Kenntnisse, die zur Bemessung der anrechenbaren Kosten erforderlich seien. Das Informationsbedürfnis der Klägerin werde auch nicht dadurch beseitigt, dass sie in Folge der unberechtigten Auskunftsverweigerung der Beklagten zu Schätzungen berechtigt sein könnte (BGHZ 127, 254, 262), denn Schätzungen seien immer mit einem Unsicherheitsrisiko behaftet. Aus dem möglichen Honorarnachforderungsrecht und der Unkenntnis über die angefallenen Kosten folge der vertragliche Auskunftsanspruch gegen die Beklagte. Durch die Auskunft werde die Klägerin in die Lage versetzt, richtig abrechnen zu können (vgl. BGH BauR 1998, 813). Der Auskunftsanspruch gehe aber nicht dahin, dass der Klägerin ein Anspruch auf eine geordnete Zusammenstellung bzw. auf Aushändigung der Unterlagen für 10 Tage zusteht. Es läge vielmehr im Ermessen der Beklagten, wie sie ihre Auskunftspflicht nachkommen will. Dies könnte beispielsweise auch durch Überlassung einer von ihr gefertigten aussagekräftigen Übersicht geschehen oder durch Gewährung von vollständiger Einsicht in die vorhandenen Rechnungen der Baufirmen. Entschließt sich die Beklagte, die Belege der Klägerin nicht zu treuen Händen zu übergeben, sondern der Klägerin die Einsicht in ihrem Archivraum zu gewähren, muss die Zeit ausreichend bemessen sein und der Klägerin die Benutzung eines mitgebrachten Kopiergerätes ermöglicht werden.

Sofern die Beklagte für ihre eigenen Zwecke Kostenübersichten angefertigt habe, läge darin jedenfalls nicht auch der rechtliche Zweck einer Förderung der Interessen des klagenden Architekten. Die Klägerin kann insoweit daraus kein Einsichtsrecht ableiten. Eine Rechenschaftspflicht übernimmt der auftraggebende Bauherr gegenüber dem beauftragten Architekten nämlich nicht.

Ist der Architekt/Ingenieur nicht mit der vollständigen Erstellung der Kostenermittlungen beauftragt, sollte er gleichwohl – schon im eigenen Interesse – seine Rechnungsprüfungsergebnisse jeweils zeitnah in geeigneten Kostenzusammenstellungen und Übersichten dokumentieren, um nicht zu riskieren, bei der Durchsetzung eigener Honorarforderungen in Schwierigkeiten zu geraten.

OLG München, Urteil vom 07.08.2012, Az.: 9 U 2829/11 Bau

RA und Notar Michael Ch. Bschorr