Nebenangebote im reinen Preiswettbewerb: BGH bezieht Stellung

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich nach Vorlage durch das OLG Jena erneut mit der in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte kontrovers beantworteten Frage zu befassen, ob Nebenangebote zulässig sind, wenn zugleich der Preis das einzige Wertungskriterium darstellt. Diese Frage war bereits Gegenstand einer Entscheidung des BGH vom 23.01.2013, Az. X ZB 8/11 (vgl. dazu Stoye in Newsletter 2/13). Damals hatte der BGH die Frage nicht abschließend beantwortet, da sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt hatte, aber zugleich klargestellt, dass er bei Entscheidungserheblichkeit den Europäischen Gerichtshof um eine Vorabentscheidung hinsichtlich der Vereinbarkeit von reinem Preiswettbewerb und Zulassung von Nebenangeboten ersucht hätte.

Nunmehr hat der BGH mit Beschluss vom 07.01.2014 festgestellt, dass in einem dem Geltungsbereich des vierten Teils des GWB unterfallenden Vergabeverfahren Nebenangebote grundsätzlich nicht zugelassen und gewertet werden dürfen, wenn der Preis das alleinige Zuschlagskriterium darstellt. Eine Notwendigkeit, den EuGH mit dieser Frage zu befassen, sah der Senat dabei aufgrund einer vom 2013 zu behandelnden Fall abweichenden Sachverhaltskonstellation nicht. Er leitet das Verbot der Berücksichtigung von Nebenangeboten im reinen Preiswettbewerb – unabhängig von den Vorgaben des Europarechts – bereits unmittelbar aus den nationalen Bestimmungen des Vergaberechts ab. Ohne ein solches Verbot sei eine wettbewerbskonforme Beurteilung der Nebenangebote nicht gewährleistet. So müsse etwa ein geringfügig günstigeres, aber qualitativ deutlich schlechteres Nebenangebot, welches bei einer wirtschaftlichen Betrachtung insgesamt gerade nicht das „günstigere“ Angebot darstelle, mangels geeigneter Zuschlagskriterien gleichwohl bezuschlagt werden. Dies würde aber sowohl gegen das vergaberechtliche Wettbewerbsprinzip aus § 97 Abs. 2 GWB als auch gegen das aus § 97 Abs. 5 GWB folgende Gebot, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, verstoßen. Diese Problematik lasse sich auch nicht durch die von einigen Oberlandesgerichten geforderte Gleichwertigkeitsprüfung (vgl. OLG Schleswig, 15.04.2011 – 1 Verg 10/10 u. OLG München, 09.11.2010 – Verg 16/10) bereinigen. Bei der gebotenen generalisierenden Betrachtung genüge eine Gleichwertigkeitsprüfung nicht den Anforderungen an transparente Wertungskriterien, da es für die Bieter bei der Angebotsabgabe nicht mit angemessenem Sicherheitsgrad vorhersehbar sei, welche Varianten die Vergabestelle bei der Wertung noch als gleichwertig anerkennen wird und welche nicht mehr.

Bereits am 27.11.2013 hatte sich das OLG Düsseldorf mit der Frage auseinanderzusetzen, ob eine Verteilung der Zuschlagskriterien von 95 % für den Preis und 5 % für die Terminplanung rechtmäßig ist. Im Ergebnis hat der Senat eine solche Gewichtung der Kriterien für unzulässig erklärt. Es handele sich insoweit um eine „Ausweichstrategie“, mit der es ermöglicht werden solle, Nebenangebote werten zu können und zugleich doch faktisch nur den Preis als Wertungskriterium zu berücksichtigen, da dem zusätzlichen Qualitätskriterium, hier der Terminplanung, letztlich eine reine „Alibifunktion“ zukomme. Dies sei im Ergebnis als Verstoß gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz zu werten.

Alle Vergabestellen sollten nunmehr Nebenangebote nur dann zuzulassen, wenn sie neben dem Preis weitere Zuschlagskriterien festlegen, mit denen die graduellen Qualitätsunterschiede eines Nebenangebots im Vergleich zum Amtsentwurf angemessen erfasst und bewertet werden können. Insbesondere Vergabestellen im Bund und in Nordrhein-Westfalen müssen darüber hinaus auf eine Gewichtung der Kriterien achten, die den Vorwurf einer „Alibifunktion“ ausschließt. Dies ist deshalb besonders schwierig, weil das OLG Düsseldorf keine eindeutigen Prozentsätze benannt hat.

BGH, Beschluss vom 07.01.2014, Az.: X ZB 15/13

RA Calle B. Plantiko