Privates Baurecht: Gewährleistungssicherheit in Höhe von 7 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme unwirksam

Aufsätze

Der Bundesgerichtshof hat bereits vor einiger Zeit entschieden, dass eine Gewährleistungssicherheit in Höhe von 10 % der Auftragssumme den Auftragnehmer unangemessen benachteiligt und unwirksam ist. Insoweit tendiert die Praxis der privaten Bauwirtschaft dazu, dass die Ansprüche des Auftraggebers nach Abnahme durch eine Gewährleistungsbürgschaft in Höhe von 5 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme gesichert werden.

Auch der vom BGH am 01.10.2014 entschiedene Fall (VII ZR 164/12) erweckt zunächst den Anschein, dass die durch die Rechtsprechung entwickelten Vorgaben eingehalten wurden. In den Besonderen Vertragsbedingungen wurde geregelt, dass als Sicherheit für die Gewährleistung 2 % der Auftragssumme einschließlich der Nachträge einbehalten wird bzw. der Auftragnehmer über dieselbe Höhe eine Gewährleistungsbürgschaft abgeben kann. Gleichzeitig war vereinbart, dass der Auftragnehmer eine Vertragserfüllungsbürgschaft in Höhe von 5 % der Auftragssumme einschließlich Nachträge zu stellen hat. Die Vertragserfüllungsbürgschaft sollte jedoch erst nach vorbehaltloser Annahme der Schlusszahlung zurückgegeben werden.

Der BGH entschied, dass dieses von der Auftraggeberin gestellte Klauselwerk zu einer unangemessenen Benachteiligung des Auftragnehmers führt. Denn durch das Zusammenspiel der einzelnen Klauseln muss der Auftragnehmer für einen Zeitraum, der über die Abnahme hinausgeht, eine Sicherheit von insgesamt 7 % der Auftragssumme leisten. Dies sei durch das Sicherungsinteresse des Auftraggebers nicht gedeckt. Die Höhe der Sicherheit muss dem Umstand Rechnung tragen, dass das Sicherheitsinteresse des Auftraggebers nach der Abnahme deutlich geringer ist, als in der Vertragserfüllungsphase. Zu diesem Zeitpunkt hat der Auftragnehmer seinen Vertrag erfüllt. Der Auftraggeber hat neben der geleisteten Sicherheit die Möglichkeit, Leistungsverweigerungsrechte bezüglich des noch geschuldeten Werklohns geltend zu machen. Zudem wird der Auftragnehmer durch die Avalzinsen zusätzlich belastet. Eine Sicherheit von insgesamt 7 % übersteigt daher unter Berücksichtigung beiderseitiger Interessen ein angemessenes Maß.

Die vorliegende Sicherungsabrede führte deshalb zu einer Sicherung in Höhe von 7 %, da der Austausch der Vertragserfüllungsbürgschaft nur bei vorbehaltloser Annahme der Schlusszahlung erfolgen sollte. Der Vortrag der Auftragnehmerin, dass die beiden Klauseln unabhängig voneinander zu bewerten seien, folgte der BGH nicht. Denn nach ständiger Rechtsprechung kann die belastende Wirkung einer für sich allein hinnehmbaren Klausel durch eine oder mehrere weitere Vertragsbedingungen sich so weit verstärken, dass der Vertragspartner des Verwenders im Ergebnis unangemessen benachteiligt wird. Wird die unangemessene Benachteiligung erst aus der Gesamtwirkung gezogen, sind beide Klauseln unwirksam. Es sei nicht Sache des Gerichts zu entscheiden, welche der beiden Klauseln nun bestehen bleibe oder nicht.

Wollmann & Partner ist der Auffassung, dass diese Entscheidung aus drei Gesichtspunkten besonders relevant für die Praxis ist. Zum einen macht der BGH sehr deutlich, dass eine Sicherheit bis zu 5 % der Auftragssumme zulässig ist, eine Sicherheit in Höhe von 7 % das angemessene Maß aber übersteigt. Bereits entschieden wurde vom BGH, dass eine Kumulation von Vertragserfüllungssicherheit und Gewährleistungssicherheit auf insgesamt 6 % noch hinnehmbar ist. (BGH, Urteil vom 25.03.2004 – VII ZR 453/02).

Zum anderen zeigt diese Entscheidung, dass bei ineinander übergehenden und zeitlich überlagerten Sicherungsmitteln eine isolierte Klauselüberprüfung nicht möglich ist. Kann die Vertragserfüllungsbürgschaft weit über den Abnahmezeitpunkt hinaus einbehalten werden, so muss die Bewertung der Zulässigkeit anhand aller nach der Abnahme bestehenden Sicherungsmittel erfolgen.

Zuletzt ist dieser Fall deshalb relevant, weil die streitgegenständliche Regelung aus dem Vertragshandbuch des Bundes stammt, also zahlreiche öffentliche Auftraggeber diese Regelungen verwendet haben.

BGH, Urteil vom 01.10.2014, Az.: VII ZR 164/12

RAin Sarah Haj Kheder

Wollmann & Partner Rechtsanwälte, Berlin

hajkheder@wollmann.de