Privates Baurecht: Kennzeichnung eines abweichenden Vertragswillens in der Annahmeerklärung

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Bei Verhandlungen zwischen zukünftigen Vertragsparteien kann und soll es bis zum endgültigen Vertragsschluss zu Änderungen des Vertragsinhaltes kommen. Da es mittlerweile üblich ist, Vertragsänderungen direkt in der digitalen Vertragsangebotsdatei vorzunehmen und die Änderungen bei einem neuen Ausdruck des Vertragstextes nicht immer sofort zu erkennen sind, hat sich der BGH mit den Voraussetzungen für die Erkennbarkeit bei Vertragsänderungen in einer Annahmeerklärung befassen müssen.

In dem vom BGH entschiedenen Fall verlangte die Auftragnehmerin eine zwischen den Parteien unstreitige Vergütung für Bauleistungen. Der Auftraggeber rechnet seinerseits mit Mängelansprüchen aus einem anderen Bauvorhaben auf. Zwischen den Parteien ist streitig, ob ein Aufrechnungsverbot zwischen den Parteien wirksam vereinbart wurde.

Der Abschluss des Bauvertrages verlief folgendermaßen: Nach einem ersten Angebot der Auftragnehmerin übersandte der Auftraggeber der Auftragnehmerin einen Bauvertrag, in dem festgelegt wurde, dass Abschlagszahlungen zu leisten sind und der Auftraggeber einen Sicherheitseinbehalt für die Dauer der Gewährleistung einbehalten darf. Ein Aufrechnungsverbot findet sich in diesem Vertragsentwurf nicht. Die Auftragnehmerin änderte diesen Vertragsinhalt ab. Sie entfernte die Bestimmungen zur Zahlungsweise und zum Sicherheitseinbehalt und fügte stattdessen im identischen Schrifttyp eine Verpflichtung des Auftraggebers ein, dass die gesamte Summe an die Auftragnehmerin auszuzahlen sei und eine Verrechnung mit alten Bauvorhaben nicht vorgenommen werden dürfe. Diesen geänderten Bauvertrag sandte sie mit einem Begleitschreiben an den Auftragnehmer zurück. Wortlaut des Begleitschreibens war: „Anbei erhalten Sie die beiden Exemplare des Bauvertrages … unterschrieben zur weiteren Verwendung zurück. Wir möchten Sie bitten, ein Exemplar unterschrieben an uns zurückzusenden.“

Der Auftraggeber behauptet die Änderungen nicht bemerkt zu haben, änderte aber seinerseits in Absprache mit der Auftragnehmerin die mittlerweile zeitlich überholten Termine für den Beginn der Bauausführungen ab. Diese Änderungen wurden in dem unterzeichneten Vertragstext handschriftlich vorgenommen.

Das Berufungsgericht sah den Ausschluss der Aufrechnungsmöglichkeit als vereinbart an. Der Auftragnehmer habe den Vertrag in abgeänderter Form unterzeichnet und sogar an diesem veränderten Vertragswerk weitere nachträgliche Änderungen vorgenommen. Damit gäbe es keine Zweifel an der vollständigen Kenntnisnahme des veränderten Vertragstextes durch den Auftraggeber. Bis zur beidseitigen Unterzeichnung des Vertragstextes stände der Vertragsinhalt stets zur beidseitigen Disposition, so dass grundsätzlich mit einer Änderung des Vertragstextes zu rechnen sei.

Der BGH teilt die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht. Die Änderungen seitens des Auftraggebers können nicht als zweifelloses Indiz gewertet werden, dass der Auftraggeber den Vertragstext vollständig zur Kenntnis genommen haben muss. Die Änderungen der Ausführungsfristen waren zeitlich notwendig und eine punktuelle Beschäftigung mit diesem Vertragsaspekt reichte aus. Bei der Bewertung, ob die Vertragsänderungen vom Auftraggeber bewusst angenommen worden sind, muss auf die allgemeinen Kriterien für die Unterbreitung eines wirksamen Vertragsangebots abgestellt werden. Dies erfordert, dass der Empfänger eines Vertragsangebots, wenn er von dem Vertragswillen des Anbietenden abweichen will, in seiner Annahmeerklärung klar und deutlich zum Ausdruck bringt, dass er von dem angebotenen Vertragsinhalt abweichen will. Macht ein Vertragspartner seinen abweichenden Willen nicht hinreichend kenntlich, kommt der Vertrag zu den Bedingungen des Angebots zustande (§ 150 Abs. 2 BGB).

Dadurch, dass die Änderungen mit dem gleichen Schriftbild ohne zusätzliche Kennzeichnungen in den Vertrag eingearbeitet wurden, sich die Seitenzahlen u.a. nicht deutlich verschoben und das Begleitschreiben den Eindruck erweckte, dass keine Änderungen vorgenommen wurden, hatte der Auftraggeber nicht die Möglichkeit, in das Vertragsangebot einzuwilligen. Vielmehr konnte er davon ausgehen, dass der Vertrag wie von ihm angeboten angenommen wurde. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die Änderungen des Vertragstextes ohne Weiteres hätten erkannt werden können, wenn der Auftraggeber den von der Auftragnehmerin unterzeichneten Vertragstext insgesamt durchgelesen und mit dem Vertragsentwurf verglichen hätte. Durch das Begleitschreiben gab es für den Auftraggeber keine Veranlassung, den Vertragstext insgesamt noch einmal durchzulesen.

In der Sache selbst wurde somit kein Aufrechnungsverbot vereinbart und die Sache wurde an das Berufungsgericht zurückgewiesen, um zu prüfen, ob die Aufrechnungsforderung besteht.

Der BGH bemerkte aber, dass die Rechtslage anders beurteilt hätte werden können, wenn die Parteien sich vor der Vertragsänderung über diese inhaltlich unterhalten hätten und der Auftragnehmer also damit hätte rechnen müssen, dass es zur Änderung des Vertragsinhalts kommt.

Nach Auffassung von Wollmann & Partner stellt diese Entscheidung des BGH die Grundprinzipien des Vertragsschlusses vor dem Hintergrund der technischen Möglichkeiten zusammenfassend dar. Die Informationstechnik räumt jedem Vertragspartner die Möglichkeit ein, den Vertragstext im Nachhinein ohne besondere Kenntlichmachung zu ändern, daraus soll aber keine erhöhte Pflicht zur Überprüfung der Vertragstexte folgen. Bei einem Vertragsschluss müssen sich die Vertragsparteien grundsätzlich das Vertrauen entgegenbringen können, dass ein unterbreitetes Vertragsangebot, wenn der Änderungswille nicht deutlich und klar heraustritt, auch in dieser Form angenommen wird. Durch diese Rechtsprechung werden die Grundsätze des kaufmännischen Bestätigungsschreibens mit den neuen technischen Möglichkeiten in Einklang gebracht. Denn wenn die zukünftigen Vertragsparteien über eine Vertragsänderungen nicht gesprochen haben, muss der Empfänger eines Vertragsangebotes seinen von diesem Vertragsangebot abweichenden Vertragswillen in seiner Annahmeerklärung klar und unzweideutig zum Ausdruck bringen.

BGH, Urteil vom 14.05.2014, Az.: VII ZR 334/12

RAin Sarah Haj Kheder
Wollmann & Partner Rechtsanwälte, Berlin
hajkheder@wollmann.de