Vertragsstrafenanspruch: Darlegungs- und Beweislast und AGB bei Vereinbarung im Verhandlungsprotokoll?

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In einer nach Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde veröffentlichten Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts ging es um zwei Aspekte eines Vertragsstrafenanspruches. Hintergrund des Rechtsstreites war die Auseinandersetzung über einen noch verbleibenden Restwerklohnanspruch für Elektroinstallationsarbeiten in dem von der Auftraggeberin errichteten Möbelhaus mit Lager und Tiefgarage. Der Auftragnehmer hatte insoweit die Elektroinstallationsarbeiten für das Bauvorhaben als Nachunternehmer übernommen. Gegen den geltend gemachten noch verbleibenden Werklohnanspruch verteidigte sich die Auftraggeberin und Beklagte mit der Argumentation, dass die vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe verwirkt sei und dem Werklohnanspruch entgegengehalten werden kann.

Der Bauvertrag umfasste unter anderem zusätzliche Vertragsbedingungen (ZVB), in denen unter § 13.1 eine Vertragsstrafenregelung enthalten war, die bei Verzug mit der Leistung in Bezug auf den vereinbarten Fertigstellungstermin verwirkt sein soll. Darüber hinaus enthielt die Regelung auch die Angaben zur Tagessatzhöhe, zur Höchstbegrenzung und die Festlegung von Arbeitstagen als Berechnungsgröße. Weiterer Bestandteil des Bauvertrages war ein sogenanntes Vergabeprotokoll, welches in Ziffer 3 ebenfalls eine Regelung zur Vertragsstrafe enthielt, die teilweise abweichende Maßstäbe für die Berechnung der Vertragsstrafe vorsah. Letztere stellte auf Werktage statt Arbeitstage ab.

Der vertraglich vereinbarte Fertigstellungstermin wurde unstreitig um 68 Werktage überschritten.

Die Auftragnehmerin (Klägerin) führte gegen den geltend gemachten Vertragsstrafenanspruch ins Feld, dass es sich bei den entsprechenden Regelungen im Bauvertrag um allgemeine Geschäftsbedingungen handele und dass der Vertragsstrafenanspruch nicht wirksam vereinbart worden sei und sie im Übrigen die Überschreitung des vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermins nicht zu vertreten hätte, weil der Bauablauf durch Behinderungen beeinflusst worden sei, die dem Verantwortungsbereich der Auftraggeberin zugeordnet werden müssten.

Die Auftragnehmerin begründete ihre Auffassung damit, dass es sich sowohl bei den ZVB, als auch bei dem Vergabeprotokoll um vorformulierte Vertragswerke mit Mehrfachverwendungsabsicht handeln würde, woran auch die ausfüllungsbedürftigen Leerräume im Vergabeprotokoll – auch in Ziffer 3 zum Verhandlungsergebnis hinsichtlich der Vertragsstrafe – nichts ändern würden. Wegen der Überschreitung des Fertigstellungstermins legte die Auftragnehmerin Gründe und Anfangszeitpunkt der aufgetretenen Behinderungen dar, ebenso wie ihre entsprechenden Behinderungsanzeigen. Daraus ergab sich jedenfalls, dass der Terminplan zur Fertigstellung der Rohbauarbeiten nicht eingehalten werden konnte.

Das Brandenburgische OLG erkannte die Begründetheit des Vertragsstrafenanspruches und bestätigte damit die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts. Der Bundesgerichtshof wies die Nichtzulassungsbeschwerde zurück.

Gegen die Wirksamkeit der Vertragsstrafenregelung hatte das Gericht keine Bedenken. Auch wenn es insoweit für die Entscheidung nicht darauf ankam, arbeitete das Gericht deutlich heraus, warum es sich bei der Regelung in Ziffer 3 des Vergabeprotokolls nicht um eine allgemeine Geschäftsbedingung handelt. Ausschlaggebend war insoweit für das Gericht, dass in dem Vergabeprotokoll die jeweiligen Verhandlungsergebnisse handschriftlich einzutragen waren, auch in Bezug auf die Vertragsstrafenregelung, so dass der Beweis des ersten Anscheins durch gedruckte oder sonst vervielfältigte Texte (BGH NJW 04, 502) nicht zur Anwendung kam. Auch der Umstand, dass in Ziffer 3 des Vergabeprotokolls auf die Regelung in § 13.1 ZVB Bezug genommen wurde, änderte daran nichts, weil beide Regelungen vollständig die Voraussetzungen des Vertragsstrafenanspruches regelten und die auftretenden Widersprüche (Werktage statt Arbeitstage) durch die vertraglich vereinbarte Rangfolgenregelung im Ergebnis zugunsten von Ziffer 3 des Vergabeprotokolls zu lösen waren.

Das Gericht erkannte schließlich die Verwirkung des vollständigen Vertragsstrafenanspruches, weil die Auftragnehmerin nicht hinreichend substantiiert dargelegt hatte, dass sie die Überschreitung des vertraglich vereinbarten Fertigstellungstermins nicht zu vertreten hatte. Zwar hatte sie im Verfahren schlüssig und substantiiert dargelegt, dass es Behinderungen aus dem Verantwortungsbereich der Auftraggeberin gab, die jedoch nur einen Teil der tatsächlichen Gesamtüberschreitung erklären konnten. Des Weiteren war für das Gericht maßgebend, dass die Auftragnehmerin zwar zu dem Grund der jeweiligen Behinderung vorgetragen hat, nicht aber zu ihrer Dauer und zur konkreten Auswirkung auf die Durchführung der ihr obliegenden Leistungen. Ebenfalls ausschlaggebend, war für das Gericht, dass die Auftragnehmerin 34 Arbeitstage vor dem vereinbarten Fertigstellungstermin in einem Schreiben mitteilte, dass sich die von der Auftraggeberin und ihren Hilfspersonen verursachten Verlängerung der Ausführungsfrist auf 21 Arbeitstage (maximal 25 Werktage) belaufe. Angesichts dieser Erklärung und wegen der fehlenden konkreten Darlegung der Auswirkungen eingetretener Behinderungen auf die Leistungen der Auftragnehmerin hielt das Gericht die nach § 286 Abs. 4 BGB der Auftragnehmerin obliegende Darlegung, sie habe die Überschreitung des Fertigstellungstermins nicht zu vertreten, nicht für ausreichend substantiiert, so dass der Auftragnehmerin die Exkulpation nach § 286 Abs. 4 BGB nicht gelang.

Nach Auffassung von Wollmann & Partner zeigt diese Entscheidung einmal mehr, welches Risiko aus einer Vertragsstrafenregelung für den Auftragnehmer folgt: Die aus § 286 Abs. 4 BGB folgende Darlegungs- und Beweislast für den Auftragnehmer kommt in ihrer Intensität der Geltendmachung eines Anspruches auf Verlängerung der Ausführungsfristen gemäß § 6 VOB/B gleich. Eine gute Dokumentation und die baustellenbezogene Darstellung von Behinderungsauswirkungen sind also auch für die Abwehr eines Vertragsstrafenanspruches notwendig. Dies wird häufig nicht hinreichend beachtet.

Hinsichtlich der Einordnung einer Vertragsregelung als AGB zeigt die Entscheidung einmal mehr auf, dass der jeweilige Einzelfall betrachtet werden muss. Verhandlungsprotokolle enthalten per se weder Individualvereinbarung noch allgemeine Geschäftsbedingung. Es kommt auf ihre konkrete Gestaltung an. Je unselbständiger die handschriftlich zu ergänzenden Informationen sind und je untergeordneter ihre Bedeutung ist, umso mehr spricht dies für die Einordnung der betreffenden Regelung als allgemeine Geschäftsbedingung. Im Gegenteil sprechen die Indizien für eine Individualvereinbarung. Der Ausarbeitung und Gestaltung der einzelnen Vertragsbestandteile kommt also nach wie vor große Bedeutung zu.

Brandenburgisches OLG, Urteil vom 18.01.2012 – 13 U 116/09;

BGH, Beschluss vom 29.04.2013 – VII ZR 62/12 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)